Wo Ist All Unser Wasser Hin?
Eiswerder, Spandau
Wasser ist die Grundlage unseres Lebens. Die Aussage ist erstmal trivial, jedoch handelt unsere Politik*innenklasse keinesfalls, als ob ihnen diese Tatsache bewusst sei. Dass auf unserem blauen Planeten bald Wassermangel herrschen könnte, ist uns allen bewusst. Wasserknappheit ist jedoch nicht nur ein Problem für den globalen Süden. Es ist auch in mehrfacher Weise ein deutsches Problem. Zum einen tragen wir die Verantwortung, wenn unsere Politik und unserer Konsumverhalten das Leben in anderen Regionen der Welt unmöglich machen, zum anderen gibt es auch in Deutschland einige Gebiete, die zukünftig unter Wasserknappheit leiden könnten. Man munkelt, dass zum Beispiel der Wasserstand in Berlin im Sommer 2019 zwischenzeitlich besorgniserregend niedrig war, und auch über einige Dörfer in Gebieten mit hoher Konzentration von Massentierhaltung wurde ähnliches gemeldet (siehe Umweltbundesamt). Wird das Wasser knapp oder muss es besonders intensiv gereinigt werden, wird es teuer – dabei ist Wasser seit gut 10 Jahren offiziell ein Menschenrecht – was natürlich grundsätzlich seine Verkäuflichkeit in Frage stellt.
Duscht du noch oder stinkst du schon?
Jetzt denkt man unweigerlich daran, dass einige Menschen oft baden oder „zu lange“ duschen. Es sind jedoch nicht die Millennials, die zu viel Zeit im Bad verbringen, sondern natürlich die Industrie und damit unser Konsum. Kürzer duschen und nicht so häufig baden, mag zwar besser für die Haut sein, doch sind solche Ratschläge Ablenkungsmanöver. Beim Thema Wasser herrscht viel Unwissenheit. Woher die Idee kommt, dass kürzeres Duschen einen Unterschied macht, liegt auf der Hand. Beim Duschen und beim Baden sehen wir direkt wie aus Frischwasser Abwasser wird. Jeder kennt jemanden oder hat zumindest schon mal von einem Menschen gehört, der sein Badewasser später für die Toilette benutzt. Ich tue es nicht. Es bringt auch nichts – der Aufwand steht in keinem Verhältnis. Eine durchschnittliche deutsche Badewanne hat „nur“ ein Fassungsvermögen von 140 Liter.
Die eigentlichen Schuldigen
Es gibt keinen Grund bei der Hygiene zu sparen. Ansetzen müssen wir jedoch bei der Industrie und Landwirtschaft. Vor allem müssen wir durch Ordnungspolitik durchgreifen, denn es kann nicht sein, dass sich sonst viele Menschen kein Wasser mehr leisten können. Überkonsum und Verschmutzung müssen bekämpft werden. Ordnungspolitik heißt vor allem auch Verbote, also neben Verzicht, das andere böse V-Wort. Wenn das Trinkwasser knapp und teuer wird, dann ist das vor allem ein Systemproblem. Dann leiden vor allem die Ärmeren. Trotzdem muss man natürlich sagen, dass es zwar kein richtiges Leben im falschen System gibt, aber eben auch ein komplett Falsches. Soll heißen: wir brauchen zwar den Systemwechsel, allerdings ist unser eigener Konsum nicht irrelevant.[1]
Jeder über 40 kennt das Schicksal des Aralsees. Vor allem die Baumwollproduktion und die damit verbundenen Industrien haben den Zuflüssen Wasser entzogen und Chemikalien zugeführt. Jahrzehnte später steht es um die globalen Süßwasservorräte schlecht. Viele Flüsse sind vergiftet und erreichen oft nur als Rinnsale – wenn überhaupt – das Meer. Von Fast Fashion über die Bau-, Auto-, Pharma- oder auch Elektroindustrie: Überall wird Raubbau betrieben. „Verbrannte Erde“ ist noch das geringste Problem, wenn aus Profitgier gepaart mit einem Mangel an Gesetzen und/oder mangelnder Implementierung Chemikalien in die Natur gepumpt werden.
Wenn man bei Ernährung und Skrupellosigkeit erstmal an Coca-Cola und Nestlé denkt, dann liegt man damit halbrichtig. Die eigentlichen Akteure in Deutschland sind die Deutsches Milchkontor GmbH, Tönnies, Moksel, Westfleisch und co. Mal abgesehen von der Frage, ob die Produktmachung und damit die Gewalt gegenüber und Ausbeutung von fühlenden Lebewesen noch zeitgemäß sind, ist der ökologische Fußabdruck der Tierindustrie unverantwortlich. So verbraucht die Produktion von 1 Kg Käse 5.000 Liter Wasser, von einem Kilo Butter sogar mehr als 5.500 Liter (waterfootprint.org). Im Gegensatz dazu liegt ein Kilo Gemüse im Schnitt bei 322 Litern. Weizen, der nur mal nebenbei der Hauptbestandteil von Seitan ist, verbraucht 1.500 Liter pro Kilo. Mal kurz in Badewannen und in Portionen umgedacht: 100g Käse sind dann ca. 3,6 Badewannen, während 200g Gemüse nur 0,46 Badewannen voll Wasser verbrauchen. Bei der Hygiene sparen ist also weder sozial verträglich noch ökologisch sinnvoll. Und jetzt denkt man unweigerlich an die Avocado, doch selbst Avocados sind harmlos im Vergleich zu Rindfleisch. Ein Kilo Avocado kann man schon mit einem Wasserverbrauch von 800 Litern ernten (World Avocado Foundation), während jedoch ein Kilo Rindfleisch mehr als 15.000 Liter Wasser benötigt. Das sind mehr als 107 Badewannen. Übrigens zerstört die Brandrodung für Weideflächen und Futtersoja im Amazonas auch die Wasserzirkulation (für immer), die durch einen tropischen Regenwald aufrechterhalten wird.
Hinzu kommen bei Tierprodukten die ganzen Ausscheidungen der Tiere selbst, die unsere Ökosysteme zerstören. Schon jetzt sind unsere Böden und Gewässer nitratverseucht. Aus der Tierproduktion kommen schätzungsweise 400 verschiedene gesundheitsschädliche Gase (siehe z.B. das Umweltbundesamt). Lecker! Millionen Liter Gülle haben bereits Todeszonen in der Ostsee geschaffen. Todeszonen sind Teile des Meeres, in denen das Wasser so verseucht ist, dass dort nichts mehr leben kann.
Es muss natürlich erwähnt werden, dass sowohl für die Avocadoproduktion als auch für Futtermittel die Zerstörung ganzer Ökosysteme in Kauf genommen wird und dass wir auf jeden Fall für bessere Arbeitsbedingungen auf den Plantagen kämpfen müssen. Dass es keine gute Arbeit in einem Schlachthof geben kann, ist uns bei näherem Betrachten wahrscheinlich ohnehin allen klar. Die Zustände, auch in Deutschland, sind katastrophal. Als LINKE müssen wir uns dringend viel stärker dem Thema Ernährung und Nahrungsmittelproduktion widmen. Maslow lässt grüßen.
Dass der Klimawandel zu Dürresommern führt und sich das nur verstärkt, ist keine Ausrede, denn auch für den Klimawandel sind vor allem Treibhausgase aus Industrie und der Tierproduktion verantwortlich.
Neokolonialismus: Komm, wir stehlen den Armen ihr letztes Wasser.
In einer globalisierten und neokolonialen Welt werden die Kosten des Konsums oft externalisiert. Das heißt, dass wir zwar Produkte genießen, jedoch bei weitem nicht den vollen Preis dafür bezahlen. Um den Wasserverbrauch und die Treibhausgase eines Landes zu messen, müsste man eigentlich die gesamten Kosten der Produktion und Konsumption von Gütern mit einrechnen. Das englische Konzept „Pollution Leakage“ beschreibt eine Situation, in der die Umweltkosten unseres Konsums auf ärmere Länder abgewälzt werden. Pollution Leakage ist Teil des Neokolonialismus, indem nicht mit Waffengewalt, sondern durch die Macht von Kapital, Unternehmen und Konsummärkten unglaubliches Elend verbreitet wird.
Sowohl Jeans als auch Schweinkotelett verringern die Chancen signifikanter Teile der Weltbevölkerung auf ein Leben ohne Armut, Krankheit und Mangelernährung, darunter vor allem auch Zugang zu sauberen Wasser. Die strukturelle Gewalt, die von unserem Konsum ausgeht, ist multidimensional: Menschen werden durch Umleitungen und Abpumpen etc. direkt vom Wasser abgeschnitten; die Produktion selbst verschmutzt das noch bleibende Wasser und verunmöglicht jeglichen Zugang zu sauberen Wasser; der Klimawandel verändert die klimatischen Bedingungen, Böden etc. und verursacht Dürren und Überschwemmungen.
Und jetzt?
Jetzt ist es Zeit sowohl die Produktion und die Produktionsbedingungen als auch unseren Konsum auf politischer und individueller Ebene zu ändern. Wir müssen bei Solidarität auch an Wasser denken. Niemand soll auf Kosten anderer leben bzw. leben müssen.
[1] E.g. Nur weil das Patriachat noch nicht gestürzt wurde, darf niemand (noch) Partner*innen schlagen.